Apothekenfortbildung in Österreich
mit Mag. pharm. Stefan Deibl, MSc PhD (Leiter der Fort- und Weiterbildungsabteilung) und Mag.pharm. Tara Naima Stock (Referentin) der Österreichischen Apothekerkammer
Verpflichtende Fortbildungspunkte für Apotheken – ein erster Blick hinter die Kulissen
–
Das Interview
Geführt von Mag. Bianca Czeipek & Mag. Johanna Gugler
Lieber Herr Mag. Deibl, liebe Frau Mag. Stock, es freut uns sehr, dass wir uns endlich persönlich kennen lernen und in einem ersten gemeinsamen Interview Details zur neuen Gesetzesnovelle und den „verpflichtenden Fortbildungspunkten“, die ab 2024 in Kraft treten wird, zu erfahren. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten viele Gespräche mit unseren Kund:innen und Partner:innen geführt. Fakt ist – alle sind gespannt und alle haben Fragen, vielen Fragen! Wir hoffen, heute ein paar Antworten von Ihnen zu bekommen 😊
Herr Mag. Deibl, Sie sind seit mittlerweile knapp 5 Jahren für die Fortbildungsabteilung der österreichischen Apothekerkammer verantwortlich. Welche Rolle spielt Fortbildung in Ihrem Leben?
Ich bin selbst Pharmazeut, somit hat Fort- und Weiterbildung schon immer eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt – vor, während und nach meinem Studium. Das Erfreuliche in meiner Funktion ist: Die meisten Apotheker:innen in Österreich sind sehr fort- und weiterbildungsaffin, unser Fort- und Weiterbildungsangebot wird von unseren Mitgliedern auch sehr gut angenommen.
Auch der Ausblick auf die verpflichtenden Fortbildungspunkte hat zu größtenteils positivem Feedback geführt. Aktuell sind Pharmazeut:innen und Assistent:innen in unserer Abteilung aktiv und wir haben in Hinblick auf die neue Gesetzesnovelle unser Team aufgestockt. Immerhin sind wir nicht nur organisatorisch, sondern sehr stark auch inhaltlich involviert.
Wofür genau ist Ihre Abteilung „Apothekenfort- und Weiterbildung“ zuständig?
Wir sind für alle Fort- und Weiterbildungen zuständig, die von der Österreichischen Apothekerkammer zentral angeboten werden. Die Themenbereiche sind vielfältig: Klinische Pharmazie, Medikationsanalyse und -management, aber auch neue Dienstleistungen, die im klinischen und pharmazeutischen Bereich angesiedelt sind, wie z.B. Impfen in der Apotheke, stehen auf unserer Agenda – und zwar sowohl inhaltlich als auch administrativ. Auch unser E-Learning Portfolio wächst laufend. Hinzu kommt die komplette Organisation unserer APOkongresse und sehr enge Kooperationen mit Universitäten, da unsere Kurse zum Teil auch postgraduell angerechnet werden.
Das Thema der „verpflichtenden Fortbildungspunkte“ für Apotheker:innen ist schon lange im Gespräch, 2024 wird es endlich konkret. Welche Änderungen sind in Bezug auf die Inhalte des Fortbildungsangebotes zu erwarten?
Die neue Gesetzesrichtlinie ist beschlossen und tritt mit Juli 2024 in Kraft. Vieles muss noch erarbeitet werden, daher starten wir auch mit einer dreijährigen Testphase.
Noch im Dezember werden wir unsere Mitglieder genauer informieren, in den ersten Monaten des Jahres 2024 werden detaillierte Informationen für Fortbildungsanbieter auf unserer Website veröffentlicht.
Welche Inhalte können zukünftig akkreditiert bzw. approbiert werden und zählen somit zur verpflichtenden Fortbildung?
Es gibt 2 Kategorien an Fortbildungsinhalten:
- Pharmazeutisch-medizinische Inhalte: Diese Fortbildungen sind auch aktuell die am stärksten nachgefragten, Inhalte müssen evidenzbasiert und objektiv sein.Das Fortbildungsangebot mit wirtschaftlichen Inhalten wird erweitert werden und vorrangig für Konzessionär:innen von Interesse sein. Veranstaltungen mit pharmazeutischen-medizinischen oder wirtschaftlichen Inhalten werden akkreditiert.
- Neu ist der Bereich der „Freien Fortbildung“ – hier sind apothekenrelevante Inhalte angesiedelt, die nicht in die ersten beiden Themenbereiche fallen. Beispiele hierfür sind Komplementärmedizinische Inhalte, Nährstoffberatung, Kommunikationsthemen, Category Management. Diese Veranstaltungen werden approbiert.
Wie schätzen Sie die Nachfrage nach den unterschiedlichen Fortbildungskategorien zukünftig ein?
Die größte Nachfrage wird auch weiterhin den Bereich der klassisch pharmazeutisch-medizinischen Inhalte betreffen. Aber natürlich: Die Nachfrage und auch das Angebot an wirtschaftlichen und freien Fortbildungsinhalten wird steigen.
Gibt es eine konkrete Vorgabe bezüglich einer Mindest- bzw. Höchstpunktezahl in Bezug auf akkreditierte bzw. approbierte Fortbildungsveranstaltungen?
Es gibt einen 3-Jahres-Fortbildungszeitraum mit insgesamt mindestens 150 Punkten, wobei bestimmte Mindest- und Höchstpunktzahlen für jede Kategorie vorgeschrieben sind.
Mindestens 45 Punkte müssen in diesem Zeitraum aus der 1. Kategorie mit pharmazeutisch-medizinischen Inhalten bezogen werden. Maximal 105 Punkte dürfen aus dem Bereich der „Freien Fortbildung“ kommen.
Wie ist die genaue Punktevergabe geplant?
Pro 30 Minuten akkreditierter oder approbierter Fortbildung gibt es einen Fortbildungspunkt – egal ob die Veranstaltung online- oder offline stattfindet. Neu ist auch, dass für eine Ganztagesveranstaltung zukünftig bis zu 20 Fortbildungspunkte vergeben werden können – früher waren es maximal 8 Punkte.
Apropos Online-Veranstaltung: Gelten bei Online-Fortbildungen die gleichen Regeln wie bei Präsenzveranstaltungen?
Prinzipiell: Ja genau. Einziger Unterschied: Im Zeitraum von 3 Jahren müssen 16 Punkte in Präsenz konsumiert werden, die restlichen Fortbildungspunkte können auch im Rahmen von Online-Fortbildungsveranstaltungen gesammelt werden.Wichtig zu wissen ist: Fortbildungsveranstaltungen „on demand“ müssen mit einer Lernerfolgskontrolle versehen werden – egal ob online oder offline (z.B. schriftlich).
Wäre z.B. auch ein Podcast für eine akkreditierte oder approbierte Fortbildungsveranstaltung erlaubt?
Ja, das wäre natürlich auch möglich. Sollte der Podcast „on demand“ verfügbar sein, müsste es natürlich auch hier eine Lernerfolgskontrolle geben.
Um Apotheker:innen zukünftig ein spannendes Fortbildungsangebot anbieten zu können, spielt vorrangig Qualität, aber natürlich auch Quantität eine wichtige Rolle. Denn nur mit einem breiten Angebot trifft man auch (fast) alle Geschmäcker. Wird sich das Fort- und Weiterbildungsangebot der Österreichischen Apothekerkammer vergrößern?
Wir haben bereits ein sehr umfangreiches Portfolio, mit über 90 aktiven E-Learnings, Webinaren, den APOKongressen, uvm. Wir decken schon Vieles seitens der Apothekerkammerzentrale ab, hinzu kommen unsere neun Landesgeschäftsstellen, die ebenfalls Fortbildungsveranstaltungen, meist regional, anbieten. Wir werden in gewissen Bereichen geringfügig erweitern, ich sehe hier aktuell aber keine Notwenigkeit, sehr viel mehr anzubieten.
Aber wie gesagt: Wir befinden uns in der Einführungsphase, die nächsten Monate und Jahre werden zeigen, wie sich das Angebot und auch die Nachfrage in Bezug auf Apothekenfortbildung entwickeln wird. Und wir werden versuchen, flexibel auf die Bedürfnisse unserer Mitglieder zu reagieren.
Eine enge Zusammenarbeit mit österreichischen Pharmaunternehmen ist naheliegend. In ersten Gesprächen mit unseren Industriepartner:innen steht eine Frage stets im Fokus: Welche Möglichkeiten haben Pharmaunternehmen zukünftig, um Apotheker:innen mit spannenden Fortbildungsveranstaltungen, die auch akkreditiert bzw. approbiert werden, zu unterstützen?
In der AKKO-Richtlinie, die Ende November beschlossen wurde, ist u.a. geregelt, dass auch Pharmafirmen Fortbildungen anbieten können – und das ist natürlich auch gerne gesehen, soweit die Inhalte objektiv und neutral angeboten werden.
Die Verwendung von Firmenlogos (z.B. sponsored by) ist grundsätzlich zulässig, auch das Logo darf auf den einzelnen Folien abgebildet werden – soweit es die Qualität der Inhalte nicht beeinflusst. Ich darf an dieser Stelle zitieren: „Kommerzielle und werbende Inhalte sind auszuschließen.“
Die Richtlinien sind somit vergleichbar mit den Regelungen, die für die Fortbildungspunkte von Ärzt:innen gelten?
Genau. Wir haben uns die Regelungen, die in Österreich für verpflichtende Fortbildungspunkte für Ärzt:innen gelten, genau angesehen und auch europaweit im Bereich der Apothekenfortbildung sehr genau recherchiert, um das Rad nicht neu erfinden zu müssen und funktionierende Systeme zu übernehmen.
Darf Produktinformation im Rahmen von verpflichtenden Fortbildungsveranstaltungen zukünftig eine Rolle spielen?
Akkreditierte bzw. approbierte Inhalte müssen neutral und objektiv sein – das ist nicht nur für uns, sondern auch für unsere Mitglieder relevant und eine wesentliche Voraussetzung. Wie bereits erwähnt darf es einen werblichen Rahmen, z.B. ein Sponsoring mit dem Firmenlogo, geben.
Es besteht die Möglichkeit, nach dem akkreditierten bzw. approbierten Fortbildungsinhalt, einen werblichen Teil mit Produktinformationen o.ä. zu ergänzen. Wichtig ist hierbei, dass es für Teilnehmer:innen klar erkennbar ist, wann der Fortbildungsinhalt endet und der werbliche Teil startet.
Und bitte vergessen Sie nicht, uns darüber zu informieren, wenn nach dem akkreditierten bzw. approbierten Fortbildungsteil ein werblicher Anhang folgt. Natürlich hat dies keinen negativen Einfluss auf die Akkreditierung bzw. Approbation.
Gibt es Ausnahmen in Bezug auf Produktinformation im Rahmen des akkreditierten bzw. approbierten Fortbildungsteils?
Prinzipiell sind die Vorgaben hier sehr klar formuliert und auch streng zu interpretieren. Was schon möglich ist, wenn man z.B. an Diabetes Pens, Asthma Devices oder ähnliches denkt. Hier ist es sinnvoll, die Details der Anwendung zu zeigen, um das Device dann im Weiteren Patient:innen erklären zu können. In solchen Ausnahmefällen darf man auf das Produkt eingehen.
Die Alternative ist natürlich die Wirkstoffebene – aber wie gesagt: Bitte neutral und objektiv bleiben.
Gibt es Vorstellungen seitens der Österreichischen Apothekerkammer für spezielle Fortbildungsinhalte, welche forciert werden sollen?
Wir freuen uns natürlich auf ein breites Angebot und wünschen uns viele Einreichungen zur Akkreditierung bzw. Approbation, die auch den formellen Rahmenbedingungen entsprechen. An dieser Stelle werden wir beratend sehr intensiv zur Seite stehen, gerade in der ersten Zeit ist uns bewusst, dass viele Fragen noch unbeantwortet sind.
Zu den Inhalten bekommen wir in letzter Zeit immer häufiger Anfragen zu „Magistralen Rezepturen“. Auch Schulungen zu speziellen Verpackungen, wie z.B. Fläschchen von Augentropfen, bei denen Fragen zur Anwendung, Stabilität, Haltbarkeit & Co. auftreten, sind von Interesse.
Aber auch das große Feld der Beratung gibt viel Potential für neue Fortbildungsthemen: Kommunikation, Verkaufsgespräch, Red Flags, etc.
Auf der Website der österreichischen Apothekerkammer ist der Akkreditierungsprozess mit 8 Wochen angeführt. Mit welcher Vorlaufzeit ist zukünftig zu rechnen – v.a. in den bevorstehenden Monaten, in Vorbereitung auf die „verpflichtenden Fortbildungspunkte“?
Unser klares Ziel ist es, den Akkreditierungsprozess auch weiterhin innerhalb von 8 Wochen zu managen. Wie bereits eingangs erwähnt werden wir unser Team erweitern und auch für die Akkreditierungskommission werden zusätzliche Mitglieder den Akkreditierungs- und Approbationsprozess begleiten. Aber klar: Uns ist allen bewusst, dass sehr intensive Monate vor uns liegen.
Gerade in der Vorbereitung werden viele Fragen seitens der Fortbildungsanbieter aufpoppen. Gibt es Möglichkeiten, Ideen vorab mit Ihnen zu challengen? Und wenn ja, wer wäre hier der/die richtige Ansprechpartner:in?
Natürlich. Auf der einen Seite sind wir selbst sehr bemüht, klare Richtlinien zu formulieren, um die Umsetzung für alle so einfach wie möglich zu machen. Wie eingangs erwähnt werden diese Vorgaben in den ersten Monaten 2024 auf unserer Website kommuniziert.
Bei Fragen stehen wir aber auch sehr gerne persönlich zur Verfügung – hier ist Mag.pharm. Tara Naima Stock die richtige Ansprechpartnerin.
Und wie kann man sich den Akkreditierungsprozess konkret vorstellen?
Der Akkreditierungsprozess ist prinzipiell anders als bei Ärztefortbildungsveranstaltungen, weil bei uns jede einzelne Veranstaltung durch die Akkreditierungskommission, bestehend aus Apotheker:innen, geprüft wird. Das ist natürlich ein sehr aufwendiger Prozess, aber es ist uns extrem wichtig, unseren Mitgliedern einen sehr hohen Qualitätsstandard garantieren zu können.
Und wie kann man sich den konkreten Ablauf in der Praxis vorstellen?
Zunächst wird der Antrag gestellt und die Fortbildungsunterlagen unserer Abteilung zur Verfügung gestellt.
Wir prüfen diese im ersten Schritt intern, ob formal alle Richtlinien eingehalten wurden und checken sofern möglich auch die Fortbildungsinhalte. Gerne geben wir auch Feedback sollten (geringfügige) Anpassungen erforderlich sein. Natürlich können wir aktuell noch nicht abschätzen, welche Anzahl an Fortbildungsveranstaltungen ab 2024 bei uns eingereicht werden, aber wir sind hier in jedem Fall bemüht, Feedback zu geben, um für alle den Prozess so effizient wie möglich zu gestalten.
Von der Akkreditierungskommission wird eine Person ausgewählt, die sich im jeweiligen Bereich besonders gut auskennt, welche die Fortbildungsunterlagen prüft und einen Bericht schreibt.
Zum Schluss werden die Fortbildungspunkte formal vom Präsidium beschlossen und der Antragssteller wird informiert.
Müssen sich Fortbildungsanbieter an bestimmte Timelines halten?
Zum einen natürlich: Die rechtzeitigen Einreichung der Fortbildungsunterlagen.
Wenn eine Terminveranstaltung geplant ist, benötigen wir spätestens 3 Wochen im Vorfeld den genauen Termin, um die anschließende Übertragung der Punkte möglichst zeitnah und arbeitsunaufwändig organisieren zu können.
Wie erfolgt die Registrierung der Teilnehmer:innen pro Fortbildungsveranstaltung?
Die Verantwortung trägt hier der Veranstalter. Vorab wird dem Veranstalter seitens der österreichischen Apothekerkammer eine Teilnehmer:innenliste (Excel-Sheet) zur Verfügung gestellt, hier müssen die erreichten Punkte pro Teilnehmer:in eingetragen werden. Nach Retournierung werden die Punkte automatisch ins System übertragen.
Bei Veranstaltungen „on demand“ muss die Teilnehmer:innenliste regelmäßige übermittelt werden, damit der Punktestand bei unseren Mitgliedern auf aktuellem Stand ist.
Wo können Ihre Mitglieder Online-Veranstaltungen abrufen?
Online-Veranstaltungen können bei unseren externen Fortbildungsanbietern gehostet werden, auf unserer Website gibt es lediglich eine Übersicht sämtlicher akkreditierter und approbierter Veranstaltungen.
Mitglieder der Österreichischen Apothekerkammer sind Apotheker:innen – dürfen PKA bei Ihren Veranstaltungen teilnehmen?
Unser Fortbildungsangebot richtet sich primär an unsere Mitglieder. PKA sind aber natürlich herzlich willkommen. Für PKA hat der Österreichische Apothekerverband aber sicher ein wesentlich umfassenderes und attraktiveres Angebot.
Vielen Dank für Ihre ausführlichen Antworten. Abschließend würde mich noch Ihre persönliche Einschätzung interessieren: Welchen Ansturm erwarten Sie in den nächsten Monaten seitens der Fortbildungsanbieter?
Wir freuen uns natürlich auf ein breites Angebot und wünschen uns viele Einreichungen zur Akkreditierung bzw. Approbation, die natürlich auch den formellen Rahmenbedingungen entsprechen 😉. Wir sind bemüht, Ihnen und Ihren Partner:innen beratend sehr intensiv zur Seite zu stehen – gerade in der ersten Zeit ist uns bewusst, dass viele Fragen noch unbeantwortet sind und gemeinsam geklärt werden müssen.
Sollten weitere Fragen in den nächsten Wochen und Monaten aufpoppen – und es wird viele geben: An wen dürfen wir uns wenden?
Sehr gerne an Frau Mag.pharm. Stock oder auch an mich.
Vielen lieben Dank für Ihre Zeit und die vielen Insights.
Weitere Artikel
Kontakt
Tel: 01 879 52 45-10
Email: office@pharma-strategies.eu
Web: www.pharma-strategies.eu
LinkedIn: DREHM Strategies
Adresse
DREHM Pharma GmbH
Business Unit DREHM Strategies
Grünbergstraße 15/3/3
1120 Wien
© 2024 DREHM Pharma GmbH – All rights reserved.