
Apothekenfortbildung in Österreich
Interview mit Herrn Mag. Robert Welzel, Geschäftsführer der PharmAid, Apothekeninhaber und Konzessionär sowie Leiter des Fachbeirates Digitales des Österreichischen Apothekerverbandes.
Die Vorbereitung auf die neue Fortbildungsrichtlinie für Pharmazeut:innen ab 2024 kann losgehen

Bianca Czeipek (DREHM Strategies): Mit der neuen Richtlinie der Apothekerkammer sollen Fortbildungspunkte ab Juli 2024 ein verpflichtender Bestandteil im jährlichen Fortbildungsplan österreichischer Apotheker:innen werden, gestartet wird mit einer dreijährigen Einführungsphase (Anmerkung der Redaktion: Apotheker:innen wurden durch den Österreichischen Apothekenverband bereits informiert, die formale Zustimmung durch das Ministerium ist noch ausständig).
Der Pharmaindustrie ist es selbstverständlich ein großes Anliegen, die Bedürfnisse rund um das Thema Apothekenfortbildung bestmöglich zu decken. Daher freut mich der gemeinsame Blick „hinter die Kulissen“ ganz besonders, um die Wünsche und Bedürfnisse von Apothekenmitarbeiter:innen noch besser zu verstehen.
Das Interview
Geführt von Bianca Czeipek
Lieber Robert, gleich vorweg: Vielen Dank für deine Zeit und die Chance, aus erster Hand Infos zu diesem wichtigen und brandaktuellen Thema zu bekommen!
Welche Chancen bringt die neue Fortbildungsrichtlinie deiner Meinung nach für österreichische Pharmaunternehmen?
Mag. Robert Welzel: Es gibt ja schon einige Pharmaunternehmen, die akkreditierte Fortbildungsveranstaltungen bzw. insgesamt ein sehr attraktives Fortbildungsangebot für Apothekenmitarbeiter:innen anbieten. Ich denke, spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, das eigene Fortbildungskonzept zu überdenken oder überhaupt zu erarbeiten, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Und die Zukunft mit verpflichtender Fortbildung für Apotheker:innen startet bereits im Juli 2024 mit einer dreijährigen Evaluierungsphase.
Welche Fortbildungsinhalte werden seitens der Pharmaindustrie erwartet?
Mag. Robert Welzel: Um das Fortbildungsangebot für Apotheker:innen attraktiv zu gestalten, ist es wichtig, eng mit der Pharmaindustrie zusammenzuarbeiten. Der rein wissenschaftliche Inhalt, der für die Akkreditierung von Fortbildungsveranstaltungen bis dato essenziell und in vielen Fällen ein Handicap war, darf zukünftig mit verkaufs- und tararelevanten Informationen erweitert werden. Genaue Guidelines dazu werden sich im Laufe der Zeit etablieren. Fakt ist: Wenn es Mitte nächsten Jahres losgeht, sollten die Vorbereitungen besser früher als später beginnen.
Welche Reaktionen erwartest du seitens deiner Kolleg:innen?
Mag. Robert Welzel: Die Teilnahme an den Fortbildungsveranstaltungen wird sich drastisch erhöhen. Apotheker:innen müssen mindestens 150 Fortbildungspunkte in 3 Jahren nachweisen (50 Fortbildungspunkte / Jahr; 1 Fortbildungspunkt = 30 Minuten). Ich gehe aber auch davon aus, dass mit einem breiten Angebot an Fortbildungsveranstaltungen auch für jeden bzw. jede das Richtige dabei sein wird. Praxis- und verkaufsrelevante Themen kombiniert mit wissenschaftlichen Inhalten, Kommunikationsveranstaltungen, wirtschaftliche Fortbildungsmöglichkeiten für Konzessionär:innen, u.v.m.
Knapp ein Drittel der Fortbildungspunkte innerhalb der Evaluierungsphase (45 Punkte) müssen aus dem pharmazeutischen Bereich stammen, der Rest kann auch mit Fortbildungen aus anderen Bereichen abgedeckt werden (105 Punkte).
Die Verantwortung über die Einhaltung der neuen Richtlinie liegt im Übrigen bei jedem/r Einzelnen, während der dreijährige Einführungsphase ist aber mit keinen Sanktionsmaßnahmen zu rechnen.
Wo sollen Pharmafirmen deiner Meinung nach ansetzen, um Apotheken in Bezug auf Fortbildung zukünftig bestmöglich unterstützen zu können?
Mag. Robert Welzel: Ganz klar: Lernen von den Besten – selbstverständlich versehen mit einer individuellen Note – und das nachhaltig umgesetzt. Wenn ein Pharmaunternehmen konsequent Fortbildungen anbietet, dies mit entsprechendem Vorlauf kommuniziert, dann können wir uns in der Apotheke darauf verlassen und dies besser in unsere Planung einbeziehen.
Wichtig ist außerdem, die Praxisrelevanz – und zwar für Apotheker:innen und PKA:
Wie kann ich mein Wissen am besten direkt an der Tara einsetzen?
Soll die Fortbildung für Apotheker:innen wissenschaftlich nicht stärker in die Tiefe gehen?
Mag. Robert Welzel: Meiner Meinung nach: Nein. Da gibt es den Satz: Beraten Sie noch oder verkaufen Sie schon? Und genau darum geht es. Eine:n Kund:in nur zu beraten, der/die anschließend in der Shop-Apotheke einkauft, ist nicht sinnvoll und kostet nur Zeit. Vergessen wir nicht: Am Ende des Tages zahlen unsere Kunden unsere Gehälter.
In jedem Fall ist es wichtig, die Fortbildungsunterlagen rechtzeitig bei der Akkreditierungskommission einzureichen, um bei Bedarf ausreichend Zeit zum Nachschärfen zu haben.
Stichwort Zeit. Können sich Apothekenmitarbeiter:innen überhaupt noch die Zeit für umfangreiche Fortbildungen nehmen?
Mag. Robert Welzel: Das kommt auf die Art der Fortbildung an. OTC-Kurzschulungen sind natürlich jederzeit möglich. Ein paar Firmen haben begonnen, Erklärvideos o.ä. zu präsentieren. Das finde ich eine schöne Abwechslung und ist v.a. auf die immer jüngere Zielgruppe, die an der Tara steht, abgestimmt. Wichtig ist natürlich, dass diese Videos anschließend auch online zur Verfügung stehen. Daran scheitert es leider häufig noch. Aber für uns ist es wichtig, das Wissen intern teilen zu können.
Unsere Apotheken mit Mittagspause machen regelmäßig umfangreiche Produktschulungen während der Pause, da gibt’s dann ein gemeinsames Mittagessen. Wenn es keine Mittagspause gibt, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir führen die Schulung an einem Tag in mehreren Runden durch oder wir organisieren einen externen Termin für mehrere Apotheken von befreundeten Kolleginnen und Kollegen an einem zentralen Ort in Wien. In jedem Fall gilt: Die investierte Zeit für Fortbildungsveranstaltungen durch Industriepartner ist für meine Mitarbeiter:innen Arbeitszeit.
Umfangreiche Fortbildungen in der Arbeitszeit gehen sich vorne und hinten nicht aus – gerade bei Teilzeitmitarbeiter:innen. Und es gibt ja leider jetzt schon einen ziemlichen Mangel an Apotheker:innen. In diesen Fällen zahle ich diese Ausbildung und der oder die Mitarbeiter:in investiert die dafür benötigte Zeit.
Welche Möglichkeiten haben sich über die Jahre etabliert, um Fortbildungsinhalte auch innerhalb des Teams zu teilen und wie handhabt ihr dieses Thema?
Mag. Robert Welzel: Meine Teams sind hier zum Glück sehr gut organisiert, sie kommunizieren laufend in internen WhatsApp-Gruppen – da bin ich gar nicht drinnen, und das ist auch gut so! Viele Probleme werden unkompliziert und auf direktem Weg gelöst, mich interessiert sowieso nur die Lösung. Abstimmungstelefonate und Rundmails spielen natürlich auch eine wesentliche Rolle in unserem Tagesgeschäft – das funktioniert wunderbar. Und zwar so gut, dass ich mich nicht einmische, weil es gar nicht besser ginge!
Welche Unterlagen sind Must haves, die Apothekenteams deiner Meinung nach zum Nachschlagen benötigen?
Mag. Robert Welzel: Meiner Meinung nach ist die Information, online zur Verfügung gestellt, am effizientesten. So können wir die Infos intern ideal verteilen. Ein paar lesen die Infos dann in Ruhe z.B. am Arbeitsweg in Bus oder U-Bahn, oft auch in Etappen, andere drucken sich das pdf aus oder schauen es sich am PC in der Apotheke an.
Die Qualität der Unterlagen spielt da meiner Meinung nach eine wichtige Rolle – durch Google, Wikipedia, Instagram & Co. haben wir uns diesbezüglich an einen hohen Standard gewöhnt. Diese Qualität muss sich in jedem Fall auch in den Pharmaunterlagen widerspiegeln.
Corona hat uns alle in den letzten Jahren beschäftigt und auch im Bereich der Fortbildung viel Veränderung mit sich gebracht. Was sind die gravierendsten Veränderungen deiner Meinung nach?
Mag. Robert Welzel: Das Angebot hat sich drastisch reduziert – offline natürlich, aber auch online. Wenn man sich auf der Seite der Apothekerkammer ansieht, welche Fortbildungen es gibt, ist es erschreckend wenig im Vergleich zu früher.
Liegt das an Corona oder an der Sommerpause?
Mag. Robert Welzel: Nein, das ist Corona-bedingt. Die Firmen wussten anfangs nicht, was sie kurzfristig anbieten können oder sollen – und Apothekenmitarbeiter:innen konnten v.a. im ersten Jahr nicht mit dem Online-Angebot umgehen. Für jene, die nicht gerade schulpflichtige Kinder daheim hatten, war auch der Zugang zu den diversen Online-Tools wie Zoom, MS Teams und andere nicht so leicht verfügbar.
Und offline gibt es, auch in den Ballungsbereichen, so gut wie keine Veranstaltungen mehr – vor Corona gab es die im Wochenrhythmus.
Das Angebot ist bis dato insgesamt nicht wieder auf jenes Level zurückgekehrt, das wir vor Corona kannten.
Ist die Nachfrage nach Präsenzveranstaltung überhaupt noch in dem ursprünglichen Ausmaß gegeben?
Mag. Robert Welzel: Das hängt zum einen sehr stark vom Referenten ab. Natürlich spielt bei Präsenzveranstaltungen auch die soziale Komponente eine wesentliche Rolle, die das Image eines Unternehmens sehr positiv beeinflusst. Und natürlich ist das Wie relevant: Einfach nur die „Fakten“ zu übermitteln, ist langweilig. Wenn die Fakten richtig verpackt sind, wird die Message ankommen. Das ist genau das Gleiche an der Tara: Ich kann meinem Kunden die wichtigsten Wirkungen und Nebenwirkungen taxativ aufzählen. Oder ich erzähle ihm eine Geschichte – aber das muss natürlich gelernt sein. Und hier kommt wiederum die Pharmaindustrie ins Spiel.
Gibt es im Rahmen der neuen Fortbildungsrichtlinie bereits konkrete Überlegungen zum Verhältnis Präsenz vs. Onlineangeboten?
Mag. Robert Welzel: Ja, das Thema ist sogar besonders wichtig, um größtmögliche, zeitliche Effizienz zu gewährleisten. Jährlich müssen 16 Punkte im Rahmen von Präsenzveranstaltungen absolviert werden, der Rest kann auch im Online und im Selbststudium (inkl. Lernerfolgskontrolle) erfolgen.
Gibt es auch positive Veränderungen durch die Pandemie?
Mag. Robert Welzel: Dank Corona sind Tests aller Art in Apotheken nicht mehr befremdlich für unsere Kund:innen. Kürzlich haben wir in Kooperation mit dem Goldenen Kreuz ein Pre-Screening angeboten – für unterschiedliche Gesundheitsbereiche: Eisenmangel, Vitamin D-Status, etc. Ist das Ergebnis im „roten Bereich“, schicken wir unsere Kund:innen zu weiteren Checks zum/r Ärzt:in. Manche Themen gehen gut, manche weniger – im nächsten Schritt wollen wir verstärkt Ärzt:innen in der Umgebung einbinden. Dieses Service ist aktuell kostenfrei. Wenn die Nachfrage steigt, steigt auch der Erwartungsdruck seitens der Kund:innen und irgendwann sind sie auch bereit, für diese Dienstleistung zu bezahlen.
An dieser Stelle sei außerdem erwähnt: Für Mitarbeiter:innen in Krankenhausapotheken muss Fortbildung natürlich anders aufgezogen werden, weitaus wissenschaftlicher und tiefer. Apotheker:innen im Krankenhaus haben eine exzellente Fortbildung mit starkem, medizinischen Fokus – in vielen Fällen gemeinsam mit Ärzt:innen. Hier spielt auch das Medikationsmanagement eine wichtige Rolle – ein Service, das mir auch für öffentliche Apotheken ein großes Anliegen für die Zukunft ist.
Welches Fortbildungsangebot würdest du dir zukünftig verstärkt wünschen?
Mag. Robert Welzel: Das Üben des Beratungsgesprächs an der Tara, praxisnah, das geht leider im Daily Business unter. Rollenspiele bringen an dieser Stelle so viel – gemeinsam zu überlegen, welche Fakten interessieren unsere Kund:innen wirklich.
Haben Pharmazeut:innen und PKA überhaupt die Zeit für diese Beratungsgespräche in der täglichen Praxis?
Mag. Robert Welzel: Das ist natürlich nicht immer gleich. Aber ja, statt der früheren Frage nach dem berühmten „Sackerl“ oder dem Plausch über das Wetter, während der Apothekenautomat arbeitet, ist jetzt unsere Beratungskompetenz im täglichen Apothekenalltag gefordert.
Bianca Czeipek: Vielen Dank für das Teilen deiner Erfahrungen und den spannenden Blick hinter die Kulissen!

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